21. November 2001 HANDWERK special 84
Der Schreiner war es, der den "Schrein" - in manchen Gegenden ein anderes Wort für den Sarg - herstellte. Und so verwundert es nicht, dass der Ursprung vieler Bestattungsinstitute im Schreinerhandwerk liegt. Wie beim Familienunternehmen Artur Wild in Idar-Oberstein, das seit mehr als 100 Jahren Menschen aus dem Raum Idar-Oberstein auf ihrem letzten Weg begleitet.
Seit mehr als 100 Jahren befindet sich das Bestattungsinstitut Wild in der Amtsstraße von Idar-Oberstein. |
Zeitdokumente: Unternehmensgründer Otto Wild I. (o.) vor dem Anwesen, das noch heute Betriebssitz ist, und der Bestattungswagen „Horch“ in den 30er Jahren. |
Der Großvater des
heutigen Betriebsinhabers, Otto Wild (1877-1942), gründete zum Jahresanfang
1900 eine Bau- und Möbelschreinerei, in der er auch Särge herstellte.
Zu seinen Aufgaben gehörte der Besuch im Trauerhaus, um an dem Verstorbenen
Maß zu nehmen und dann den handwerklich gefertigten Sarg zu liefern.
Weit über den ersten
Weltkrieg hinaus, so erinnert sich Artur Wild II. an Erzählungen, endete
damit die Tätigkeit des Schreiners. Das Waschen und Kleiden des Toten übernahm
die „Leichenfrau“, die - vergleichbar mit einer Hebamme - eine Art
Institution im Ort war. Beim Einsargen halfen die Angehörigen oder
Nachbarn, die Überführung zum Friedhof erfolgte mit dem von Pferden
gezogenen Totenwagen der Gemeinde. Das Grab richtete der Totengräber her,
Freunde oder Nachbarn trugen den Sarg zum Grab.
Wurzeln im
Schreinerhandwerk
Zu Beginn der 20er Jahre war die zweite
Generation mit den Söhnen Artur I. (1907-81) und Otto II. (1902-35) im
elterlichen Betrieb in die Schreinerlehre gegangen. In diese Zeit fällt die
Anschaffung des ersten Bestattungs-Kraftwagens, der lange der einzige zwischen
Saarbrücken und Mainz war und bereits einen Wandel markierte. Die Zunahme
an Feuerbestattungen und die dadurch bedingten häufigen Fahrten in das
Mainzer Krematorium prägten das Bestattungswesen in der Schreinerei Wild
immer stärker aus. In den 30ern steht es gleichwertig neben dem
Schreinerhandwerk.
Bei der Anschaffung des zweiten Bestattungswagens
fiel die Wahl auf ein Fahrzeug der damaligen Nobelmarke Horch. Einerseits war
der Wagen uneingeschränkt für lange Strecken tauglich: Einmal führte
der Weg sogar bis nach Prag, nachdem ein Edelsteinhändler auf seiner Geschäftsreise
in Idar-Oberstein verstorben war. Andererseits drückten die Wilds mit dem
Horch auch ihren eigenen Stil im Bestatterhandwerk aus, das in den Jahren nach
dem zweiten Weltkrieg fast ausschließlich in den Vordergrund trat.
Bereits
in den 50er Jahren erledigte das Unternehmen die erforderlichen Formalitäten
und Behördengänge und erbrachte sämtliche
Bestattungsdienstleistungen. Pauline Wild, die Mutter von Artur II., richtete
eine Vertretung für eine Sterbeversicherung ein und kümmerte sich um
den Bereich der Bestattungsvorsorge. Die 70er brachten eine Agentur für
Seebestattungen hervor. In der Anfangsphase wurde diese Bestattungsart vor allem
von ehemaligen Marinesoldaten gewählt, aber auch Heimatvertriebene aus den
Ostgebieten wünschten die Beisetzung in der Ostsee. - Bedingt durch die
Krankheit des Vaters übernahm Artur II. als 20-Jähriger denBetrieb und
führte ihn selbstständig weiter.
Handwerk des Bestatters
Trotz
der Verlagerung vom ursprünglichen Handwerk zum Bestattungsinstitut: Artur
I. legte 1949 seine Meisterprüfung als Schreiner ab, sein Sohn Artur II.
(geb. 1947) ging 1961 im elterlichen Betrieb in die Lehre und legte die
Gesellenprüfung ab. [Anpassung 1 Anfang] Auch dessen Tochter Christine, die eine kaufmännische
Ausbildung machte, stieg in den Familienbetrieb ein.[Anpassung 1 Ende] Der jüngste Sohn
Thomas erlernte das Schreinerhandwerk. Nach erfolgreicher Gesellenprüfung
machte er das Abitur und studiert jetzt Architektur.
Den Wurzeln im
Schreinerhandwerk misst Artur Wild einen hohen Stellenwert bei: „Wem das
Geschick zueigen ist, aus dem Naturstoff Holz ein geschmackvolles Möbelstück
zu fertigen, der verfügt auch über die Voraussetzungen für die
notwendige Sensibilität im Umgang mit den Angehörigen und über
die Kreativität zur würdevollen Ausgestaltung des Rahmens für
einen Trauerfall.“ Zudem ist es mitunter auch erforderlich, an den heute
industriell hergestellten Särgen Anpassungs- oder Ergänzungsarbeiten
vorzunehmen.
Die Bereitschaft zur Weiterbildung gehört natürlich
dazu: Artur Wild nahm die im Wandel der Zeit gegebenen Möglichkeiten sich
fortzubilden immer wahr [Anpassung 2 Rest des Satzes gelöscht].
Unabhängig von Lehre und
Weiterbildung bleibt für Artur Wild eine Voraussetzung die erste und
wichtigste im Beruf des Bestatters: „Die unbedingte Achtung vor dem
Verstorbenen und vor den Angehörigen.“ Wer tagtäglich den Tod vor
Augen hat, rund um die Uhr in Rufbereitschaft lebt, dessen Leben wird zwangsläufig
von Ernsthaftigkeit geprägt. Dabei ist ihm der Glaube an ein Leben nach dem
Tod für seine Arbeit wichtig. Zufriedenheit empfindet er über die
eigene Gesundheit und die seiner Familie, freut sich stolz als frischgebackener
Opa, entspannt beim Trompete spielen und geht dann wieder engagiert seinem Beruf
nach als Begleiter auf dem letzten Weg.
Im Detail Das Bestattungsgewerbe gehört nach der Handwerksordnung zu den handwerksähnlichen Gewerben (Anlage B). Im Kammerbezirk Koblenz sind 178 Bestattungsinstitute in der Handwerksrolle eingetragen. 53 von ihnen sind gleichzeitig als Tischlerbetriebe (Vollhandwerk, Anlage A) eingetragen. |
Informationen
bei der Handwerksrolle, Tel.: 0261/ 398-261, Fax: -983, E-Mail: handwerksrolle@hwk-koblenz.de, Internet: www.hwk-koblenz.de |
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